Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zu Recht verurteilt wurde, bei dem Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen.
Der 1975 geborene Kläger stellte erstmals am 20. April 2016 einen Antrag auf Feststellung der Behinderung und des Grades der Behinderung, mit dem er als Gesundheitsstörungen einen Diabetes mellitus Typ 1 und Bluthochdruck geltend machte. Er fügte einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. C. vom 11. August 2014 bei. Des Weiteren reichte er ein Attest des Dr. D., Facharzt für Allgemeinmedizin-Diabetologie sowie einen Befundbericht vom 4. Februar 2016 ein, wonach ein insulinbedürftiger Diabetes mellitus Typ 1 vorliege und die letzten 12 Monaten keine fremdhilfebedürftigen Unterzuckerungen bekannt geworden seien. Anderweitige Kollapszustände seien im letzten Jahr, soweit bekannt, nicht aufgetreten. Der Arzt E. bestätigte dem Arbeitgeber im Attest vom 4. März 2016 einen Diabetes mellitus Typ 1 und führte ergänzend aus, dass der Kläger seit mehreren Monaten gut eingestellt sei, und es seit längerer Zeit zu keiner Hypoglykämie gekommen sei. Auch die HbA1c-Werte lägen in einem sehr guten Bereich zwischen 7.0 und 7,5%. Dr. D. bestätigte unter dem 19. April 2016 einen HbA1c-Wert von 7,8%.
Der Beklagte stellte bei dem Kläger mit Bescheid vom 13. Mai 2016 einen GdB von 20 fest und berücksichtigte die Auswirkungen folgender Funktionsbeeinträchtigungen:
1. Diabetes mellitus (Einzel-GdB 20) 2. Sehbehinderung links (Einzel-GdB 10).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 1. Juni 2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung u. a. aus, er spritze jeden Tag bis zu 6mal Novorapid, das ca. 3 Stunden wirke. Um 21 Uhr spritze er jeden Tag Basis Insulin Toujeo 30 Einheiten, die 24 Stunden wirkten. Seinen Blutzucker messe er mehrere Male am Tag. Er reichte ein Blutzucker-Tagebuch über den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 30. Mai 2016 ein.
Der Beklagte half dem Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2016 teilweise dahingehend ab, dass er bei dem Kläger einen GdB von 40 feststellte. Er berücksichtigte dabei die Auswirkungen folgender Funktionsbeeinträchtigungen:
1. Diabetes mellitus (Einzel-GdB 40) 2. Sehbehinderung links (Einzel-GdB 10).
Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29. August 2016 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) mit dem Ziel der Feststellung eines GdB von mindestens 50 erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, seine Erkrankung habe in der Vergangenheit zu Ohnmachtsanfällen geführt, die zur Folge gehabt hätten, dass er seinen Führerschein verloren habe. Von einer „normalen“ Diabeteserkrankung mit gutem Behandlungsverlauf sei nicht auszugehen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Dr. D. vom 28. Oktober 2016 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, in den letzten 24 Monaten seien keine fremdhilfebedürftigen Unterzuckerungen bekannt geworden. Der Kläger sei in der Lage, Unterzuckerungen rechtzeitig zu erkennen und adäquat zu reagieren. Hierzu trügen die regelmäßigen Blutzuckerkontrollen (mindestens 4 Werte/Tag) bei. Anderweitige Kollapszustände seien in den letzten beiden Jahren, soweit bekannt, nicht aufgetreten. Ferner ist ein Attest des Dr. D. vom 25. Juli 2017 zu den Akten gereicht worden, wonach bis zu 8 Blutzuckermessungen und mehrfache Insulingaben erforderlich seien. Bedingt durch die Tätigkeit des Klägers, die mit regelmäßigen Kfz-Fahrten verbunden sei, erhöhe sich diese Frequenz noch. Die sehr häufigen Messungen und Injektionen stellten eine erhebliche Einschränkung des Tagesablaufs dar und führten zu psychischen Beeinträchtigungen.
Der Kläger hat überdies ein MPU-Gutachten der Dr. F., G. GmbH, vom 7. April 2015 zu den Akten gereicht. Danach hatte er bei der Begutachtung einen Entlassungsbericht des Diabetes-Zentrums H-Stadt vom 28. November und 11. Dezember 2014 vorgelegt, in dem u. a. ein dysregulativer Diabetes mellitus Typ 1, arterielle Hypertonie und Z. n. rezidivierenden Kollapszuständen bei Exsikkose diagnostiziert worden waren. Überdies hatte er einen Entlassungsbericht der Medizinischen Klinik des Nordwest-Krankenhauses Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2014 vorgelegt, indem u. a. als Diagnosen rezidivierende Kollapszustände bei Exsikkose, der Ausschluss einer kardiogenen Synkope, der Ausschluss einer Narkolepsie und der Ausschluss einer atembezogenen Schlafstörung angegeben waren. Die Gutachterin führte aus, dass der Kläger nach den Testverfahren die Anforderungen hinsichtlich Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit nur für Fahrzeuge der Gruppe 1 erfülle. Der Blutzucker sei nur befriedigend eingestellt, eine ausreichende Behandlungszuverlässigkeit liege nicht vor. Eine akute Gefahr von Stoffwechselentgleisungen sei nicht sicher auszuschließen, die Blutzucker-Werte zeigten starke Schwankungen. Der Kläger könne wegen der Diabetes mellitus-Erkrankung keine Fahrzeuge der Klassen B, BE, C1, C1E, CE, M, L T, S und der Anlage 4 sicher führen.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2018 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Kläger sei ein GdB von 50 gerechtfertigt. Ein höherer GdB kommt nur bei zusätzlichen erheblichen Einschnitten und gravierender Beeinträchtigung in der Lebensführung in Betracht. Hierzu habe das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - dargelegt, dass Einschränkungen bei privaten oder zwingenden dienstlichen Reisen, beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen und bei der Nahrungsaufnahme nicht nur eine signifikante sondern eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung bedeuten könnten. Sie müssten damit aber nicht das Ausmaß einer darüber noch hinausgehenden ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung erreichen. Für die Feststellung eines GdB von 50 für den Diabetes mellitus müssen erfüllt sein täglich mindestens vier Insulininjektionen, eine selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte. Das Bundessozialgericht habe in der vorgenannten Entscheidung dargelegt, dass bei der Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche sich eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung nur unter strengen Voraussetzungen bejahen lasse. Allein die mit der Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte seien nicht geeignet, eine zusätzliche gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen. Berücksichtigungsfähig sei nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender besonderer Therapieaufwand. Daneben könne ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Schließlich seien auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte der Lebensführung zu beachten. Ausweislich des MPU-Gutachtens vom 7. April 2015 sei dem Kläger die Fahrerlaubnis für die vorgenannten Klassen entzogen bzw. festgestellt worden, dass er nicht zum Führen von Fahrzeugen der genannten Fahrerlaubnisklassen berechtigt sei. Dies bedinge nach Überzeugung des Sozialgerichts nicht nur eine berufliche Einschränkung. Die krankheitsbedingte Unmöglichkeit, ein PKW zu führen, stelle einen zusätzlichen erheblichen Einschnitt in der Lebensführung dar, der gravierend sei. Die allgemeine Mobilität im Alltag, sei es zur Gestaltung der Freizeit, zur Sicherung der notwendigen Einkäufe oder auch zur Erhaltung von Kommunikation, sei ein wesentlicher Bestandteil von Lebensqualität, bezüglich derer der Kläger nun erheblich eingeschränkt sei und zwar so gravierend, dass ihm der GdB von 50 zuzuerkennen sei.
Gegen den ihm am 25. Mai 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 20. Juni 2018 Berufung eingelegt und zur Begründung u. a. ausgeführt, der Kläger habe bislang keine behördliche Entscheidung über den Entzug der Fahrerlaubnis vorgelegt. Das ärztliche Attest des Dr. D. vom 25. Juli 2017 dokumentiere, dass die Diabetesbehandlung durch die regelmäßigen Kfz-Fahrten beeinflusst gewesen sei. Daraus ergebe sich, dass der Kläger über eine wirksame Fahrerlaubnis verfügte. Das Sozialgericht habe es unterlassen, den aktuellen Gesundheitszustand in Bezug auf die Eignung zum Fahrzeugführen zu überprüfen. Im Gutachten der G-GmbH werde vor allem auf ältere Befunde aus 2014 eingegangen, nicht auf neuere Befunde aus 2015, was zumindest Zweifel an der Aussagekraft des Gutachtens zur Fahrtüchtigkeit wecke. Zumindest ab 2016 sei der gut eingestellte Kläger fahrtüchtig gewesen. Da dieser es bisher unterlassen habe, auf eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis hinzuwirken, begründe dies keinen bei der Festsetzung des GdB zu berücksichtigenden Umstand.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Mai 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat einen Bescheid des Main-Kinzig-Kreises (MKK) vom 13. August 2015 über den Entzug der Fahrerlaubnis sowie den angenommenen Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2016 vorgelegt. Nach diesem Vergleich wurde der Bescheid des MKK vom 13. August 2015 bestandskräftig, nachdem der Kläger kein positives Eignungsgutachten bis 30. April 2016 beigebracht hatte (vgl. Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 1. März 2019).
Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Internisten und Kardiologen Dr. J. vom 4. April 2019 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, dass bei dem Kläger ein Diabetes mellitus Typ 1, als nicht entgleist bezeichnet bestehe ohne bekannte diabetische Sekundärerkrankungen sowie eine benigne arterielle Hypertonie. Aktuell unterziehe er sich einer intensivierten Insulintherapie mit mahlzeitenbezogener, mindestens 4mal täglicher subkutaner Injektion eines schnell wirksamen Insulins (Humalog), dessen Dosis an die zugeführte Kohlenhydratmenge und an den Blutzuckerspiegel anzupassen sei. Zusätzlich folge 1mal täglich die subkutane Injektion eines Basisinsulins (Toujeo). Die gegenwärtige Stoffwechseleinstellung verfehle knapp die Zielvorgaben der aktuell gültigen S3-Leitlinie. Dennoch könne die diabetische Einstellung als stabil bezeichnet werden. Hypoglykämien seien seit 3 Jahren nicht mehr dokumentiert und träten seither auch in Eigenmessungen nicht auf. Eine hinreichende Fahreignung des Klägers für Fahrzeuge der Gruppe 1 könne ab dem 4. Februar 2016 als gegeben angesehen werden, nachdem bereits Dr. F. in den Leistungstests ausreichende Ergebnisse für Gruppe 1 festgesellt habe. Für Gruppe 2 hätten die Leistungstests - unabhängig von der diabetischen Stoffwechselerkrankung - keine ausreichenden Ergebnisse gezeigt. Eine Wiederholung sei nicht durchgeführt worden. Die nichtgegebene Kraftfahreignung durch die Diabetes-Erkrankung insbesondere für Gruppe 2 stelle für den gelernten LKW-Mechaniker und Pannenhelfer eine erhebliche berufliche Teilhabebeeinträchtigung dar. Der GdB betrage gemäß VMG Nr. 15.1 50. Ein höherer GdB sei aufgrund der ausreichenden Stoffwechseleinstellung ohne schwere Entgleisungen oder Endorganschäden nicht begründet. Dies gelte ab April 2016.
Der Beklagte hat eingewandt, dass dem Gutachten des Dr. J. nicht gefolgt werden könne, nachdem dort die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 1 ab 14. Februar 2016 als gegeben angesehen worden sei. Nur hinsichtlich der Gruppe 2 hätten die Ergebnisse der Leistungstests nicht die geforderten Resultate gezeigt. Ob und ggf. seit wann der Kläger wieder im Besitz einer Fahrerlaubnis sei, gehe aus den Unterlagen nicht hervor. Bei der Begutachtung habe der Kläger angegeben, dass er im Besitz der Fahrerlaubnis Klasse CE sei. Der Umstand, dass es der Kläger unterlassen habe, auf eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis hinzuwirken, könne nicht zu einem höheren GdB führen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. November 2019 hat der Kläger mitgeteilt, seit 14. Juni 2018 wieder im Besitz eines Führerscheins für die Fahrzeugklassen AM/A1/A/B/C1/C/BE/C1E/CE/L/T zu sein und diesen dem Gericht vorgelegt. Aufgrund der Diabeteserkrankung entstehe ihm ein erheblicher finanzieller Aufwand dadurch, dass er alle 2 ½ Jahre eine Begutachtung durchführen und jährlich Arztberichte bei der Führerscheinstelle vorlegen müsse (mit den Arztberichten fast 1.500,00 €).
Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Mai 2018 war aufzuheben, da der Bescheid des Beklagten vom 13. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2016 rechtmäßig war und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Rechtsgrundlage für die beantragte Feststellung eines GdB ist seit 1. Januar 2018 § 152 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - SGB IX - (bis 31. Dezember 2017 § 69 Abs. 1 SGB IX zuletzt in der Fassung des Artikel 2 Nr. 2 des Bundesteilhabegesetzes - BTHG - vom 23. Dezember 2016). Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur zu treffen ist, wenn ein (Gesamt-)Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB IX). Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Dabei sind nur diejenigen Menschen als schwerbehindert anzuerkennen, bei denen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt (§ 2 Abs. 2 1. Halbsatz SGB IX). Für die Beurteilung des Anspruchs des Klägers ergibt sich aus den seit 1. Januar 2018 geltenden Vorschriften keine relevante Änderung.
Die Bestimmung des GdB erfolgt unter Heranziehung der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ gemäß der Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I, Seite 2412) und vom 11. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2122), zuletzt in ihrer Fassung vom 23. Dezember 2016 (Art. 18 Abs. 4 BTHG).
Für die hier streitige Feststellung eines GdB von (mindestens) 50 aufgrund der Diabetes-Erkrankung enthält Teil B Nr. 15.1 der Anlage zu § 2 Versorgungs-Medizinverordnung - VersMedV - drei Beurteilungskriterien: Täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte. Diese Kriterien sind nach der Rechtsprechung des BSG nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden, vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustands erleichtern (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - juris Rdnr. 16; BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 16 RdNr. 24).
Im Falle des Klägers sind die auf den Therapieaufwand bezogenen Kriterien jedenfalls aktuell erfüllt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. J. vom 4. April 2019 unterzieht sich der Kläger aktuell einer intensivierten Insulintherapie mit mahlzeitenbezogener, mindestens 4mal täglicher subkutaner Injektion eines schnell wirksamen Insulins (Humalog), dessen Dosis an die zugeführte Kohlenhydratmenge und den Blutzuckerspiegel anzupassen ist. Routinemäßig misst der Kläger mindestens 4mal täglich hierzu den Blutzucker. Zusätzlich folgt aktuell 1mal täglich die subkutane Injektion einer fixen Dosis eines Basalinsulins (Toujeo). In der Vergangenheit erfolgte bereits ab 21. Oktober 2014 eine intensivierte Insulintherapie mit bedarfsgerechter Insulinanpassung und 35 Messungen pro Woche, ab 18. August 2016 eine Modifikation der Therapie mit fixer mahlzeitenbezogener Insulindosis und täglich zweimaliger Gabe eines Basalinsulins.
Die Erfüllung der beiden erstgenannten, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien reicht jedoch nicht aus, um den GdB mit mindestens 50 festzustellen. Vielmehr muss der Kläger durch die Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in seiner Lebensführung beeinträchtigt sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich hierbei um eine zusätzlich zu erfüllende Anforderung (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - juris Rdnr. 18; Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rdnr. 39 ff.; Urteil vom 25. Oktober 2012 – B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 16 RdNr. 37 ff.). Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche lässt sich eine ausgeprägte Teilhabeberechtigung nur unter strengen Voraussetzungen bejahen. Nach der vorgenannten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - juris Rdnr. 21) sind die mit der in Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 der Anlage zu § 2 VersMedV vorausgesetzten Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte nicht geeignet, eine zusätzliche ("und") gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen. Berücksichtigungsfähig ist danach nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand. Daneben kann ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten.
Im vorliegenden Fall wird der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. J. und den aktenkundigen Befundunterlagen nicht zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität des Diabetes in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben in der Gesellschaft erheblich beeinträchtigt. Laut ärztlichem Attest des behandelnden Diabetologen Dr. D. vom 4. Februar 2016 und des Arztes E. vom 4. März 2016 besteht bei dem Kläger seit Anfang 2016 eine stabile diabetische Stoffwechseleinstellung ohne schwere Entgleisungen, Hypoglykämien oder sonstige Kollapszustände. Auch Dr. J. ist aktuell nachvollziehbar von einer stabilen diabetischen Einstellung ausgegangen, wobei der HbA1c-Wert bei der Untersuchung mit 7,7% knapp über dem empfohlenen oberen Grenzwert von 7,5% lag. Die Blutzuckerwerte von 26. März 2019 bis 31. März 2019 lagen mäßig schwankend zwischen 97 und 279 mg/dl. Hypoglykämien sind seit 3 Jahren nicht mehr dokumentiert und treten seither auch in Eigenmessungen nicht auf, diabetische oder hypertensive Organkomplikationen und/oder Folgeerkrankungen sind nicht aktenkundig.
Bei dem Kläger liegen auch keine anderweitigen erheblichen Einschnitte vor, die ihn in seiner Lebensführung gravierend beeinträchtigen. Zwar kam es in der Vergangenheit auf der Grundlage eines MPU-Gutachtens vom 13. August 2015, das sich überwiegend auf ältere Befundberichte aus dem Jahr 2014 stützte, in denen rezidivierende Kollapszustände diagnostiziert worden waren (vgl. Entlassungsbericht der medizinischen Klinik des Nordwest Krankenhauses Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2014; Entlassungsbericht des Diabetes-Zentrums H-Stadt vom 28. November 2014), zum Führerscheinentzug sowohl für Fahrzeuge der Gruppe 1) als auch 2). Nach dem Sachverständigengutachten des Dr. J. war aber bereits auf der Grundlage des ärztlichen Attests des behandelnden Diabetologen Dr. D. vom 4. Februar 2016 und des Arztes E. vom 4. März 2016 mit Bescheinigung einer stabilen diabetische Stoffwechseleinstellung ohne schwere Entgleisungen, Hypoglykämien oder sonstige Kollapszustände eine Fahreignung wieder gegeben. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 hat der Sachverständige mit folgender Begründung verneint: „Unabhängig von der diabetischen Stoffwechseleinstellung zeigten die Ergebnisse der o. g. Leistungstests keine für die Feststellung der Kraftfahreignung der Gruppe 2 ausreichenden Resultate. Eine Wiederholung wurde bisher nicht durchgeführt bzw. ist nicht aktenkundig. Somit bleibt es bei der nichtgegebenen Kraftfahreignung für die Gruppe 2“. Nach dieser medizinischen Befundlage konnte der Kläger bereits vor Stellung seines Antrags auf Feststellung eines Grades der Behinderung am 20. April 2016 jederzeit eine neue ärztliche Untersuchung bei einer amtlich anerkannten Untersuchungsstelle in die Wege leiten. Auf diese Möglichkeit war der Kläger im Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2016 hingewiesen worden, in dem ihm eine Frist zur Vorlage eines solchen Gutachtens bis 30. April 2016 gesetzt worden war. Damit beruhten die fortbestehenden Einschränkungen durch den Entzug des Führerscheins - bei stabiler diabetischer Stoffwechseleinstellung des Klägers zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Feststellung eines GdB - nicht mehr auf dem Diabetes, sondern auf der nicht rechtzeitigen Beibringung eines neuen Gutachtens. Überdies ist der GdB grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten und angestrebten Beruf zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - juris Rdnr. 23), so dass der Umstand, dass der Kläger wegen Entzugs des Führerscheins für Fahrzeuge der Gruppe 2 in der Vergangenheit ggf. beruflich beeinträchtigt war, entgegen Dr. J. weder für sich genommen noch in Zusammenschau mit den weiteren Umständen zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung oder ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung führen konnte. Darüber hinaus lag nach dem MPU-Gutachten vom 7. April 2015 die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 2 - unabhängig von der diabetischen Stoffwechseleinstellung - bereits wegen der Ergebnisse der Leistungstests nicht vor.
Nach Wiedererlangung des Führerscheins am 14. Juni 2018 vermögen auch die finanziellen Aufwendungen, die dem Kläger dadurch entstehen, dass er - wie vorgetragen - alle 2 ½ Jahre eine Begutachtung durchführen und jährlich Arztberichte bei der Führerscheinstelle vorlegen muss (mit den Arztberichten fast 1.500,00 €) nach dem strengen Maßstab der BSG-Rechtsprechung zusammen mit dem Therapieaufwand keine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung zu begründen. Sonstige zu berücksichtigende erhebliche Einschnitte, die den Kläger in seiner Lebensführung gravierend beeinträchtigen, liegen - bei nachgewiesenem gutem Therapieerfolg - nicht vor.
Der bei dem Kläger dokumentierte leichte Form des Bluthochdrucks begründet keinen höheren Einzel-GdB als 10 (vgl. Teil B Nr. 9.3 der Anlage zu § 2 VersMedV).
Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB dürfen die einzelnen Werte nicht addiert werden, maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Leichte Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 führen, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht zu einer Zunahme des Maßes der Gesamtbeeinträchtigung (vgl. Teil A Nr. 3 a) und d) ee) der Anlage zu § 2 VersMedV), auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Ausgehend von der Diabeteserkrankung mit dem höchsten Einzel-GdB von 40 kann der Gesamt-GdB auch unter Berücksichtigung des Bluthochdrucks (Einzel-GdB 10) nicht höher als 40 eingeschätzt werden. Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall liegen diesbezüglich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Nichtzulassung der Berufung auf § 160 Abs. 2 SGG.